Jedes fußballbegeisterte Kind in Österreich weiß: Rekordmeister ist Rapid. Ob im Fernsehen, im Radio oder in den Tageszeitungen – die Grün-Weißen aus Hütteldorf werden nur allzugerne mit ihren 32 Meistertitel dekoriert, um so die Bedeutung des Vereins und seiner Spiele hervorzuheben.
“Rekordmeister Rapid” ist zum Selbstläufer geworden. Doch ist der Anspruch auf diesen Mythos gerechtfertigt? Nein! Der österreichische Rekordmeister heißt Austria Wien, ausgerechnet der violette Erzfeind der Grün-Weißen.
Auch wenn wohl alle Rapidler aufgrund dieser unverfrorenen Behauptung rot vor Wut werden: Würde man die österreichische Fußballhistorie objektiv betrachten, sieht es bei der Anzahl der Meistertitel für Rapid nicht so gut aus. Es wären nämlich nur 16, während die Austria 20 Titel gewonnen hätte.
Des Rätsels Lösung: Erst im Jahr 1949 wurde eine gesamtösterreichische Fußballliga eingeführt. Daher dürften nur die nach diesem Datum vergebenen Meistertitel offiziell anerkannt werden. Die Folgen: Die Austria dürfte ihre zwei Sterne (à zehn Meistertitel) behalten (20 statt 23 Titel), während Rapid zwei von drei Sternen, die stolz das Klublogo zieren, abgeben müsste.
Bis 1949 weigerten sich die Wiener Vereine, ihre Meisterschaft für Mannschaften aus den Bundesländern zu öffnen. Als Provinzler fragt man sich, wieso die Wiener Titel von 1911 bis 1949 als österreichische Meistertitel anerkannt werden, während beispielsweise Sturm Graz in diesem Zeitraum elf steirische Meistertitel erobern konnte, die in keiner Statistik aufscheinen. Der LASK wurde bis 1949 gar zwölf Mal oberösterreichischer Landesmeister.
In Deutschland hingegen wurde bereits seit 1903 unter den Landesmeistern jährlich ein Deutscher Meister ausgespielt. Die gewonnen Landesmeisterschaften werden in den Klubhistorien korrekt als regionale Titel angeführt (siehe Bayern München, Schalke 04, HSV oder VfB Stuttgart).
Hätte es in Österreich ein ähnliches, bundesländerübergreifendes System gegeben, gäbe es keine Zweifel an den Titeln von Rapid & Co. vor 1949. Eine reine Wiener Liga als österreichische Meisterschaft zu verkaufen, ist hingegen nicht korrekt und zeugt von Ignoranz gegenüber den Bundesländern. Auch wenn der Wiener Fußball in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sicherlich dominierend war: Immer wieder konnten in Freundschaftsspielen Vereine aus der Provinz überraschende und teilweise auch deutliche Siege feiern (siehe das 1999 erschienene Buch “Vom Idealismus zur Identität. Der Beitrag des Sportes zum Nationsbewußtsein in Österreich [1945 – 1950]” von Matthias Marschik). Die Meisterschaften wären mit provinzieller Beteiligung sicherlich anders verlaufen.
Trotz dieser Argumente: Den Nimbus des Rekordmeisters wird Rapid wohl in den nächsten Jahrzehnten nicht verlieren. Als gelernte Österreicher könnten sich die Austrianer aber zumindest als “a bißl Rekordmeister” fühlen.
Eine Erklärung der Bundesliga zur Rekordmeister-Frage
Zitat von http://chancentod.wordpress.com/2008/09/16/rekordmeister-austria-wien/
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